Musik ist die
Sprache der Seele (Auszug)
Irgendwo habe ich einmal gelesen:
„Jegliches Lernen ist nur ein Erinnern." Dieser Satz hat mich tief
berührt, denn uns berührt immer das am tiefsten, was wir letztlich schon
wissen. Wenn wir die Überzeugung dieser Aussage teilen können, und dies
ist das eigentliche Ziel dieses Buches, können wir nicht umhin, den
Menschen mit neuen Augen anzuschauen.
Unter diesen Umständen müssen wir zum
Beispiel den Begriff „Begabung", den man für Künstler so gern anwendet,
vollkommen neu definieren. Es gibt ihn gar nicht!
Es gibt nur Menschen, die sich mehr oder
weniger erinnern. Hier wird, wenn wir diesen Satz vollkommen begreifen,
auch die Arbeit eines jeden Lehrers, einer jeden Lehrerin einsetzen: Er
oder sie sollte lediglich helfen, an die Erinnerung zu gelangen. Dies ist
seine, ihre einzige und wahrhaft große Aufgabe.
Es kann vorkommen, dass ein Schüler von
sich aus ein viel größeres Erinnerungsvermögen mitbringt, als es dem
Lehrer, der Lehrerin selbst gegeben ist. Es kann auch vorkommen, dass der
Schüler einen ganz anderen Bereich seiner Erinnerungen erfahren möchte,
als Lehrer und Schüler am Anfang ihrer Zusammenarbeit ahnen konnten.
All diese Möglichkeiten dürfen von einem
Lehrer nicht eingeengt oder gar unterdrückt werden. Sollte er oder sie
dies tun, verurteilt er/sie die Schüler zum Nichterinnern und aus einem
möglichen Genie wird ein unbewusstes Wesen. In unserem speziellen Fall
wird so aus einem kreativen Musiker ein notenspielender „Musikbürokrat”.
Deshalb kann am Ende dieses Abschnittes auch an einen bekannteren
Ausspruch erinnert werden:
„Wir werden alle als Genie geboren und
sterben als Kopien."
Der große Schweizer Musikpädagoge Edgar
Willems beantwortete bei einem Fernsehinterview die Frage, was Musik sei
(wobei man ihm für die Beantwortung drei Minuten zubilligte):
„Musik ist die Sprache der menschlichen
Seele."
Mehr, aber auch nicht weniger, gab es für
ihn zur Musik zu sagen. Wenn man davon ausgeht, dass jegliche Äußerung des
Menschen, so sie mit der Lebensaufgabe der Seele übereinstimmt, auch die
Sprache seiner Seele ist, steckt in diesem Satz wohl nichts wirklich
Greifbares, was uns das eigentliche Wesen der Musik erklärt. Dennoch kann
die Kürze und Ausschließlichkeit dieser Aussage uns zum Erinnern anregen,
sofern wir gewillt sind, wirklich in uns hinein zu hören:
Gleicht es nicht einem Wunder, dass, rein
physikalisch betrachtet, durch das Zusammenwirken und die Abfolge
unterschiedlicher Schallschwingungen etwas erklingt, was jeder Mensch
verstehen kann, ohne dass er, wie es bei dem gesprochenen Wort der Fall
ist, die Bedeutung der einzelnen Begriffe zuvor erlernen muss? Es scheint
eine Sprache zu sein, die ohne Begriffe arbeitet, die uns aber dennoch -
oder vielleicht gerade deshalb - ohne Umwege gleich verständlich ist. Sie
berührt etwas in uns, was jenseits aller Worte liegt und vielleicht ist
sie deshalb unsere ureigenste Sprache.
Wenn wir täglich, stündlich, oftmals sogar
ununterbrochen irgendwelche Musik konsumieren, wird uns dieses Wunder
natürlich nicht mehr bewusst sein können. Musik wird hier zu einer Droge,
der wir vollkommen ungeschützt und permanent ausgesetzt sind. Unser
Persönlichkeitsrecht auf Selbstbestimmung wird, nach meinem Empfinden,
nirgends so gründlich missbraucht, denn durch Musik lassen sich ganze
Völker vollkommen freiwillig programmieren. Wir hören scheinbar nur
kostenlos Musik, werden jedoch in unserer gesamten Energiestruktur
grundlegend verändert.
Diese Behauptung mag übertrieben klingen,
doch sie wird im Laufe des Buches untermauert werden.
Musik ist Schwingung und Schwingung ist
Energie.
In Verbindung mit der Lichtenergie gehört
sie zu den Grundbausteinen des gesamten Universums, zu dessen Bestandteil
wir uns ohne Zweifel zählen dürfen. Jeder einzelne unserer Zellbausteine
gleicht einem kleinen Universum - wie innen so außen -, welches in sich
schwingt und klingt. Durch die wunderbare Energieleitfähigkeit der Töne,
die wir als Resonanz bezeichnen, findet in einem permanent schwingenden
System, wie dem unseres Körpers, ein augenblicklicher
Informationsaustausch durch innere und auch äußere Licht- und
Schallquellen statt.
Immer mehr Menschen müssen sich heute
Gedanken darüber machen, was sie essen.
Doch wann endlich werden wir uns Gedanken
darüber machen, was wir hören?
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